Trommeln, Trommeln aus der Tiefe. Ich kam mir vor wie Balin einst in Moria. Schläge stiegen empor, bis hinauf in den vierten Stock. Da ich nicht erwartete, auf gruselige Orkhorden zu schauen, wagte ich einen Blick aus dem Fenster und sah eine größtenteils weibliche Trommelgruppe, gewandet in lila Leibchen. Die Anführerin trug ein Megaphon mit sich und Parolen vor, in denen es vermutlich um den gerade stattfindenden Weltfrauentag ging; jedenfalls war viel von mujeres die Rede. Und die örtliche Paradestraße entsprechend voll.
Das war mal was anderes. Nicht, dass getrommelt wurde, das tun sie hier gerne und oft. Zum Beispiel beim carnaval. Oder auch, wenn sie mal wieder in einer Prozession Heiligenstatuen durch weihrauchvernebelte Gassen tragen, so wie wenige Tage zuvor. Oder, wenn sie sich im parque zwischen den Palmen treffen, um für eines dieser Ereignisse zu üben. Aber dass mal aus anderen als folkloristischen Gründen getrommelt wurde, war auch mal schön. Wäre es nicht ausgerechnet vor meinem Appartement gewesen.
Die Tage darauf dann weiter auf Weltreise, etwa zwanzig Kilometer gen Westen. Torremuelle heißt der Ort und besteht aus geschmackvoll zugebauten Berglein am Meer. Keine großen Hotelbauten – okay, einen gibt es natürlich, quasi als Statussymbol –, sondern urbanizaciónes, in Deutschland würde man sagen: gehobene Vorstadt, Speckgürtel. Nur dass hier im Serranoschinkengürtel alle einen Pool haben und ein bis zwei Einliegerwohnungen, die sie an Urlauber vermieten.
Beschaut man das Wahrzeichen des Ortes, einen eher alten aber hässlichen Turm, merkt man wieder mal, wie einfach das Spanische doch ist. „Torre“ heißt bekanntlich „Turm“ und „muelle“ offensichtlich „Müll“. Dafür gibt es ein paar Felslein zum Draufhocken und einen reichhaltigen Supermarkt. Und Busse und Bahnen, mit denen man den Ort verlassen kann.
Frei nach der alten Weisheit „bewohne stets das hässlichste Hochhaus im Ort, dann musst Du es nicht ständig sehen“ (Konfuzius zugeschrieben), sitzt unsereins gerade fünf Kilometer weiter auf seiner nächsten Station im zehnten Stock mit phantastischem Meerblick, von dem gerade nicht viel zu sehen ist, weil Afrika in der Luft liegt.
Es riecht nach Sand und es verwundert nur wenig, dass die Afrikaner alle nach Europa rübermachen, wenn ihnen die halbe Sahara wegfliegt. Wie heißt es doch so schön? „Eine Hand voll Heimaterde nahm ich mit ins fremde Land.“
Und während ich versuche, die Regenjacke vom Wüstenschlamm zu reinigen, trommelt es ans Fenster des Wintergartens, in dem ich sitze. Diesmal aus der Höhe, nicht aus der Tiefe.